Gedenkrede für Georg Scholz


Liebe Frau Scholz, werte Trauergäste!


Was lieben Sie an Ihrem Partner? Was lieben Sie an Ihren Kindern? Oder an den anderen Menschen, die Ihnen wichtig sind?


Eine Antwort auf diese Frage zu haben, ist ein großer Wert an sich, denn es zeugt von Dankbarkeit, von Achtsamkeit und Reflexionsvermögen. Nicht zuletzt ist es auch eine Reflexion über sich selbst.


Vor allem aber ehrt es Ihr Gegenüber; es zeigt ihm, dass die tief empfundene Verbundenheit auf einer umfassenden Kenntnis seines Charakters beruht. Es beweist: „Wir leben nicht nur zusammen, wir leben wahrhaft miteinander und ich schätze dich und ehre dich, nicht obwohl, sondern gerade weil ich dich ganz und gar in deinem Wesen kenne.“

In was für einen Menschen haben Sie sich damals verliebt?


Auf diese Frage, Georg, hatte deine liebe Frau eine prompte und umfassende Antwort. Schon diese allein zeugt von einer großen Liebe und kein Wort darf davon ausgespart werden. Sie sagte:

„Er war anständig und liebevoll, aufmerksam und immer verständnisvoll. Er wollte etwas aus seinem Leben machen – auch das war reizvoll. Wir hatten viele Gemeinsamkeiten: wie Ansichten über das Leben und Interessen wie Theater und Kino. Alles passte so gut. Ich mochte, wie er in seinem Wesen war; einfach ein angenehmer Mensch. Außerdem war er neugierig auf die Welt; er wollte reisen und war unternehmungslustig.“


Ein Mann, wie er im Buche steht… Außer, dass es dich tatsächlich gab. Und dass es eine Zeitung war. Anna hatte ja nicht Unrecht, wenn sie euren Kindern und Enkeln erzählte, dass ihr euch beim Tanz kennengelernt habt – in Bühlau oder im Schillergarten, aber gefunden habt ihr euch über eine Annonce.

Und das ist doch in Wirklichkeit etwas sehr Romantisches. Eure Beziehung war vom allerersten Moment an kein Zufall, sondern eure Entscheidung. Anna entschied sich, unter all den anderen, auf genau diese Annonce zu antworten. Ein Bisschen was hattest du dort ja schon über dich verraten: Deinen Studiengang, deine Hobbys… Und du entschiedst dich unter all den Zuschriften, genau für sie. Für deine Anna.


Bald schon unternahmt ihr viel zusammen: Besuchtet die Oper und das Theater, gingt ins Kino und – nur ihr zuliebe, denn ein großer Tänzer warst du nicht – eben auch zum Tanz.

Da ihr euch beide auf euer Studium konzentrieren musstet und der Abstand zwischen Ottendorf und Dresden damals noch einer war, den man nicht in ein paar Minuten bewältigen konnte, schriebt ihr euch tapfer Briefe und wartetet immer sehnlichst auf das Wochenende…


Dass du dich in dem Haus deiner Schwiegereltern sofort wohlfühltest und herzlich aufgenommen wurdest, machte die Sache perfekt. Ihr beide wart einander so sicher, dass ihr keine zwei Jahre seit dem ersten Treffen verstreichen liest, ehe ihr beschlosst, den Bund für’s Leben zu schließen.

Doch ehe es förmlich wurde, gab es natürlich einen Polterabend – aber keinen wilden, einen romantischen und wunderschönen… Dein Schwiegervater stellte junge Birken in den Hof und hängte Lampions auf. Eine Freundin spielte Akkordeon und es wurde getanzt.

Am Tag der Hochzeit, dem 22. Juli 1972, erinnert sich Anna, war es unheimlich heiß… Nach der Zeremonie auf den Standesamt in Ottendorf gab es Mittag im Goldenen Ring, bevor die Feierlichkeiten im Haus deiner Schwiegereltern gipfelten.


Aber man darf nicht vergessen: Eine Hochzeit ist ja nicht nur ein ausgelassenes Fest, in Wahrheit ist es auch ein sehr hoffnungsvolles… Denn man hofft doch, dass das junge, frisch verliebte Paar genau ein solches Glück noch für viele weitere Jahre und Jahrzehnte empfinden darf und dass es das Versprechen „in guten wie in schlechten Zeiten“ halten wird.

Ihr beide, Georg, habt das zweifelsohne getan! Und wenn einer glaubt, die eingangs verlesene Charakterisierung deines Wesens wäre schon vollständig gewesen… weit gefehlt! Deine liebe Anna hat noch so viel mehr über dich zu sagen.


Sie beschreibt dich als ausgeglichen und besonnen, als ihren Ruhepol – der ihren lebhaften Geist ergänzte – und als ihre Stütze. Sie spricht von dir als einem Mann, der sich in eurem ganzen Eheleben freundlich und kameradschaftlich verhalten hat, gleichzeitig hilfs- und einsatzbereit. In schweren Zeiten wichst du ihr nicht von der Seite und wenn es ihr nicht gut ging, nahmst du ihr alle alltäglichen Pflichten ab.

Darüber hinaus – und auch das ist wichtig in einer Ehe – warst du immer ein interessierter und gut informierter Gesprächspartner, mit einem großen Wissen über Politik und das Weltgeschehen an sich.

Und da ihr beide mit so einer gesunden Neugierde für andere Kulturen ausgestattet wart, unternahmt ihr schon in jungen Jahren unglaublich viele Reisen: nach Ungarn, Bulgarien, in die Ukraine oder das heutige Russland: nach Moskau und St. Petersburg.

Auch in der Heimat unternahmt ihr auf deinem Motorrad – einem Sperber – viele Fahrten in die Umgebung, bis das gute Stück schließlich gegen ein neues Gefährt eingetauscht wurde – einen Kinderwagen!

Eure Elke erblickte im Januar 1976 das Licht der Welt und machte euch zu stolzen Eltern, und im Februar 1980 komplettierte die kleine Katharina eure wunderbare Familie.


***


Georg, als Vater warst du sehr engagiert, nicht nur im Elternaktiv der Schule… Oft spieltest du mit deinen Töchtern Tischspiele, unternahmst mit ihnen Fahrradausflüge und Waldspaziergänge zum Pilze sammeln. Außerdem verreistet ihr auch gerne zu viert – am liebsten ans Wasser, etwa nach Wandlitz, nach Bautzen an den Stausee oder an die Ostsee.

Und selbstverständlich brachtest du deinen Mädchen auch eine deiner großen Leidenschaften näher: das Straßenbahnfahren! Und das beinhaltete nicht nur Stadtrundfahrten, sondern auch Ausflüge ins Straßenbahnmuseum, denn auch mit der Technik und der Geschichte kanntest du dich bestens aus. Von diesem Hobby zeugen in deinem Haus noch heute die Schaukästen mit den vielen kleinen, sorgsam aufgestellten Modellen.


Für Technik interessiertest du dich ja ohnehin! Zugegeben, die Schule hattest du nicht sehr verbissen gesehen. In der Kindheit gibt es ja auch etwas Wichtigeres als Wissen, nämlich Phantasie!

Bekanntermaßen bringt diese einen schließlich überall hin… Dich nämlich zu einer Lehre als Schlosser, an die du gleich ein Studium als Ingenieur anschlosst. Nach deinem erfolgreichen Abschluss zogst du endlich nach Ottendorf zu deiner Liebsten, wurdest Leiter der Materialwirtschaft im Kieswerk und nach der Wende noch einmal Lagerleiter bei Secutec in Radeberg. Eine körperlich sehr anstrengende Arbeit, dafür aber mit wunderbaren Kollegen.


Die Wende brachte natürlich noch ganz andere, ungeahnte Möglichkeiten mit sich. Plötzlich stand das Wort „Weltreise“ im Duden und ihr konntet fahren und fliegen, wohin ihr nur wolltet! Und das nutztet ihr ausgiebig.

Eure erste weite Reise führte euch – und das war dein unbedingter Wunsch – nach Zypern. Der mitgebrachte Oleander in eurem Garten, einst ein Zweiglein nur, erinnert noch immer an diese schöne Zeit.

Ganz und gar begeistert wart ihr auch von euren drei Schiffsreisen: einmal über das westliche Mittelmeer, einmal durch den Ärmelkanal von London bis Amsterdam und noch einmal durch das östliche Mittelmeer. Zwar machtet ihr auch einmal eine Busreise nach Österreich oder Ausflüge in die Sächsische Schweiz, am meisten aber zog es euch doch immer wieder zum Wasser hin und die Hauptsache war sowieso, dass ihr beieinander wart.


Betrachtet man auch das ganze Leben als Reise, so gilt gerade hier dieser Gedanke: Manchmal ist es gar nicht so entscheidend, wohin wir gehen oder was wir ganz genau tun, sondern wer uns auf dieser Reise begleitet.

Dich, Georg, begleiteten neben deiner lieben Frau, natürlich noch andere, wichtige Menschen durch dein Leben…


Deine erste Liebe war selbstverständlich deine Mutter Irmtraut. Abgesehen davon, dass sie dir natürlich am 10. August 1947 das Leben schenkte, hattet ihr eine ganz besondere Beziehung – denn ihr liebtet euch, obwohl ihr so ganz und gar verschieden wart. Sie war stetig rastlos, lebenshungrig und pausenlos in Bewegung, während du auch mal in dir ruhen konntest. Aber dennoch warst du immer für sie da und hast dich bis zuletzt um sie gekümmert.


Genauso prägend waren für dich in deiner Kindheit deine Großeltern. Deine Mama musste viel arbeiten, so waren sie – wenn man so will – dein Kindergarten, dein Schulhort und dein Ferienlager, wo du immer behütet und geliebt wurdest.

Du deinerseits warst ein ebenso guter Großvater für deine Enkel Bastian, Leonard und Gervin, die sehr viele Wochenenden bei euch verbrachten und die dir, sobald sie alt genug waren, gerne in Haus und Garten zur Hand gingen.

Genauso sehr freutest du dich selbstverständlich über Florian und Leander, auch wenn Besuche, nicht zuletzt wegen deiner Gesundheit, dann nicht mehr so leicht möglich waren.

 

 Genauso sollen hier deine guten Freunde genannt sein: Thomas, den du schon seit Kindertagen kanntest und mit dem du so lange den Kontakt gehalten hast. Natürlich auch Annas Cousine Gudrun und ihr Mann Frieder – Freunde, wie sie sein sollten: die zuhören, Hilfe anbieten, verständnisvoll sind und einem zur Seite stehen.

Auch sind da die Freunde und Kollegen vom Kieswerk, mit denen ihr viel unternahmt und natürlich auch Jubiläen wie runde Geburtstage und silberne und goldene Hochzeiten feiertet.


Eure eigene goldene Hochzeit im vergangenen Jahr war ein Tag, der dir sehr viel Kraft zum Durchhalten gab – denn für euch beide war es enorm wichtig, dieses Ereignis zusammen zu erleben. Und wie wunderbar ist es, dass euch dies tatsächlich vergönnt sein sollte. Wie schon damals zu eurer Hochzeit gingt ihr mit eurer Familie und euren Freunden zum Mittagessen im Goldenen Ring, um alle gemeinsam eure Liebe zu ehren und zu feiern!


Und diese Liebe zeigte sich auch ganz zum Schluss, nämlich indem du deiner Frau eine schwere Entscheidung abnahmst und sie die deine respektierte. Letztendlich wolltet ihr beide einander Leid ersparen. Ja, auch das ist Liebe!



Ihr beide wart so ein großes Vorbild darin, einander respektvoll, liebevoll und auf Augenhöhe zu behandeln und füreinander und für die Kinder da zu sein. Für dich stand deine Familie immer im Vordergrund und es wäre auch jetzt dein Wunsch, dass alle gut zueinander sind und zusammenhalten, um diese Zeit gemeinsam überstehen. Denn die Familie soll doch ein Sicherheitsnetz sein, das genau dann hält, wenn alle anderen Stricke reißen. Ein Ort, wo niemand fallengelassen, sondern ein jeder aufgefangen wird! So wie du und deine Frau es immer vorgelebt haben.

Dein allerletzter Wunsch, lieber Georg, soll dir in jedem Fall gewährt werden. Nämlich, dieses Lied…


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